| Geschichtliche Hintergründe Mehrere Zeitströmungen des 11. Jahrhunderts fließen in Siegfried Wagners op. 8 zusammen. Das erstarkte Reform-Papsttum griff die alte Idee der »militia Sancti Petri« auf und verwandelte sie angesichts der Eroberung des Nahen Ostens durch die Seldschuken in die Idee des »Heiligen Kriegs gegen die Ungläubigen«. Die Kreuzzugsidee
Starken Widerhall fanden diese Ideen bei all denen, die im Zuge der seit Jahren populären »Pilgerschaft ins Heilige Land« ohnehin eine Wallfahrt unternehmen wollten. Gerade im 11. Jahrhundert stießen diese Pilger auf Widerstand und Feindseligkeit der Seldschuken. Der vom Papst verheißene Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen stärkte die Kampfbereitschaft.
Gleichzeitig sah das römische Papsttum Möglichkeiten, die Oberhoheit, eventuell auch eine reale Herrschaft über die »Heiligen Stätten« in Palästina zu erreichen. Da außerdem mehrmals Byzanz um Hilfe gegen die islamischen Angriffe ersucht hatte, bot sich im Fall eines Sieges die Möglichkeit, die griechische und römische Kirche – seit 1054 endgültig getrennt – wieder zu vereinen. |
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Kreuzrittertum
Die von der Reformkirche bewirkte Vertiefung der Frömmigkeit führt auch zu einer »Verchristlichung« des kämpferischen Lebens. Ritterliche Ethik und ein Tugendsystem bilden sich aus. Dazu gehört vor allem die Maze, die weise Selbstbeschränkung, Staete, die Treue gegen sich selbst und seiner Pflicht, Zucht als umfassender Begriffe für die Harmonie von Außen- und Innenleben; daneben gilt es Triuwe, Ere, Recht und Milte zu pflegen, insbesondere im Frauendienst, der »Hohen Minne«.
Diesen hohen Idealen standen ein oft noch primitiver Lebensstil auf den Burgen, ungebremste Lust am Recht des Stärkeren und daraus resultierend das Fehdewesen gegenüber. – In den Würzburger Lahrbüchern von 1146 werden Kreuzritter so beschrieben: »Leute mit unruhigem Charakter lockte es, fremde Länder zu sehen; andere, denen die Armut im Nacken saß, zogen nicht bloß gegen die Feinde des Christentums, sondern auch gegen jeden Freund des Christentums, wenn sie sich nur mit ihrem Schwert die Armut vom Leibe schaffen konnten; wieder andere, welche von der Last ihrer Schulden bedrückt wurden oder sich ihrem pflichtgemäßen Herrendienst entziehen wollten oder auch gerecht Strafen für ihre Verbrechen zu befürchten hatten, heuchelten auf einmal Eifer für die Ehre Gottes.«
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| Byzanz
Seit der 395 vollzogenen Teilung des römischen Weltreichs geht der östliche Teil mit der Hauptstadt Konstantinopel/Byzanz eigene Wege. Stadt und Reich bilden mit wechselndem Erfolg ein »Bollwerk des Abendlandes« gegen Perser, Araber und Türken, wodurch den westeuropäischen Völker erst Zeit zur Entfaltung eines nationalen Eigenlebens gegeben wird. Größte kulturelle Leistungen sind die Christianisierung der Slawen, die Tradierung des geistigen Gutes der Antike und die alle Lebensbereiche umfassende Vermittlung zwischen Ost und West. – Der Zeitgenosse Geoffroi de Villehardouin, Teilnehmer am 4. Kreuzzug, berichtet: »Ihr könnt euch denken, dass sie Konstantinopel immer wieder staunend ansahen, sie die es noch nie gesehen hatten. Sie konnten gar nicht glauben, dass es eine so reiche Stadt in der Welt gab, als sie die hohen Mauern und die prächtigen Türme sahen, von denen es ganz umschlossen war, und die reichen Paläste und hohen Kirchen, von denen es so viele gab, dass keiner es geglaubt hätte.«
Bisher unbekannte Luxusgüter fanden über Byzanz, später verstärkt durch den Handel der italienischen Seestädte, Eingang ins mitteleuropäische Leben. |
| Byzanz zur Zeit des 4. Kreuzzugs
War der erste Herrscher der Komnenen, Alexios I. (1081 – 1118) noch eine überragende Herrscherpersönlichkeit, so bewiesen seine Namensnachfolger nur Größe im allmählichen Verspielen der eigenen Positionen. Alexios III. (1195 – 1203) war ein typisches Produkt der Verfallszeit, ein wunderliches Gemisch an Feigheit und Machtlust. Seinen Bruder und Vorgänger ließ er auf einem Feldzug gefangensetzen und blenden. Unfähig, die korrupte Verwaltung zu sanieren, ließ er schließlich die Gräber der Vorfahren aufbrechen, um mit den kostbaren Beigaben Schulden und die ausschweifende Hofhaltung zu bezahlen. |
| Deutsches Reich, Venedig und der 4. Kreuzzug
Der von Alexios Ill. gestürzte Bruder hatte sich mit seinen Verwandten zum deutschen Thronprätendenten Philipp von Schwaben gerettet. Von dort betrieb er erfolgreich die Wiedereinsetzung für sich und seinen Sohn Alexios IV.
Gleichzeitig gewann unter Papst Innozenz III. die Kreuzzugsidee neuen Aufschwung. Das ganze Unternehmen beherrschend, stand daneben die Figur des venezianischen Dogen Enrico Dandolo, ein dem Kreuzzugsgedanken gefühlsmäßig völlig unzugänglicher Staatsmann, der die große Chance sah, Venedig durch eine Unterwerfung von Byzanz die Vormachtstellung im Osten zu sichern.
Um die Transportkosten auf venezianischen Schiffen zu bezahlen, erklärten sich die Kreuzfahrer 1202 zunächst bereit, für Venedig das zum christlichen Ungarn gehörende Zara zu erobern. Anschließend sollte den Thronansprüchen Alexios IV. zum Erfolg verholfen und dann der eigentliche Kreuzzug fortgesetzt werden. Im Juni 1203 wurde Byzanz mit geringem Aufwand erstmals von den Kreuzfahrern in Besitz genommen und Alexios IV. zusammen mit dem blinden Vater auf den Thron gesetzt. Da er finanzielle Zusagen nicht einhalten konnte, kam es über neuen Steuerplänen zum Aufstand, bei dem er ums Leben kam.
Sein Nachfolger Alexios V. suchte sich durch Unterstützung des Hasses auf alle »Lateiner«, sprich Italiener, und alle Kreuzfahrer, an der Macht zu halten. |
| Konstantinopels Eroberung: Perversion des Kreuzzuges
Angesichts der »lateinerfeindlichen« Herrschaft in der Stadt rüsteten Venedigs Flotte und die Kreuzfahrer zum gemeinsamen Angriff. Vom 6. bis 13. April 1204 tobten heftige Kämpfe, dann unterlag die byzantinische Hauptstadt. Es folgten drei Tage ohnegleichen: Plünderung, Raubmorde, Vergewaltigungen und Verwüstungen. »Seit die Welt geschaffen, ist eine solch große Beute noch nie in einer Stadt gewonnen worden … Selbst die Sarazenen sind barmherzig und gütig im Vergleich zu den Leuten, die das Kreuz Christi auf den Schultern tragen« urteilten zeitgenössische Augenzeugen. |
| Wolf-Dieter Peter
Quelle: Programmheft Sonnenflammen, Wiesbaden 1979 (unwesentlich redigiert; mit freundlicher Genehmigung des Autors)
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