Zweiter Teil von Einhard Luthers Heldentenor-Geschichte Hatte der erste Band der »Biographie eines Stimmfaches« von Einhard Luthers Geschichte der Heldentenöre, die Tenöre der Wagnerzeit (1842 – 1883) umfasst, so bezieht sich der Folgeband des Kompendiums der Wagner-Tenöre auf die Folgezeit bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs. Luther wist auf die Zwänge der Bayreuther Hofberichtserstattung unter Cosima Wagner hin und belegt, dass Cosima für Richard Wagners auserwählte Sänger »keine Vorliebe hatte«, dass aber in ihrer Ära die Tenöre jünger waren als jemals zuvor oder hernach. Daneben belegt Luther eine Gilde berühmter Heldentenöre, die vielfach ihre besten Wagner-Partien nie in Bayreuth verkörperten, aber auch »Bayreuth-Berufene, die nie zum Einsatz kamen« oder die nachträglich von den Chronisten totgeschwiegen wurden.
Luther weist nach, dass unter Siegfried Wagners Leitung der Bayreuther Festspiele – im Gegensatz zu der Ära seiner Mutter – eine Regelmäßigkeit der Planung einsetzte: »Siegfried Wagner bestimmte bei Amtsantritt eine regelmäßig Folge von jeweils zwei Spielsommern, gefolgt von einem Pausejahr. Jede dieser Doppelspielzeiten wurde durch ein neueinstudiertes Werk eröffnet.« Dabei kommt er zu dem Schluss: »Meinte Cosima sich noch vor der Theaterwelt ‚da draußen’ abschotten zu müssen, so war Siegfried mutig genug, mit den größten Sängerstars seiner Zeit zu arbeiten. Hätte ihm der Krieg nicht zehn Jahre seiner Festspieldirektion geraubt, dann wäre die ‚Ära Siegfried Wagner’ vermutlich die glanzvollste Epoche der Festspiele geworden.« Luther konstatiert auch, dass Siegfried Wagner das Ende der Schutzfrist für »Parsifal« gelassener hinnahm als seine Mutter, und gibt das Ondit eines in diesem Zusammenhang erfolgten selbstironischen Wagner-Zitats aus dem Munde Siegfried Wagners wieder: »Der durch Verträge ich Herr, den Verträgen bin ich nun Knecht!« Der sängerkundige Autor beweist erneut seine Stimmenkenntnis, indem er stimmliche Besonderheiten, Qualitäten und Schwächen der Heldentenöre verbal zu veranschaulichen, ja geradezu hörbar zu machen vermag. Endlich einmal behandelt er auch das in der Wagner-Literatur unterbelichtete Kapitel der »Bayreuther Stilbildungsschule«. Bewundernswert ist wieder die Fülle des Materials, insbesondere der Abbildungen, die der Autor aufgefunden, bearbeitet und in diesem Band veröffentlicht hat. Bilder, nicht nur in Wagner-Partien, veranschaulichen sehr individuell das Leben und Bühnenwirken der Bayreuther Heldentenöre. Für die Freunde der Kunst Siegfried Wagners fasziniert Luthers zweiter Band nicht nur unter dem Aspekt der Bayreuther Tätigkeit Siegfried Wagners, mit einigen Schnappschüssen, die den Komponisten gemeinsam mit Sängern zeigen, sondern auch hinsichtlich der sängerischen Qualität von Aufführungen seiner eigenen Opern zu seinen Lebzeiten: die Bayreuth-Protagonisten Emil Grüning, Aloys Pennarini, Emil Gerhäuser, Willi Birrenkoven, Alois Burgstaller, Hans Breuer, Erik Schmedes, Fritz Vogelstrom, Walter Kirchhoff, Heinrich Hensel und Jacques Urlus verkörperten ja auch Tenorpartien in Siegfried Wagners Opern. Als Bilder-, Lesebuch und Nachschlagewerk – im Format früherer Langspielplatten – eine wichtige, wissenschaftlich fundierte und dabei vergnüglich zu lesende Neuerscheinung. Peter P. Pachl Einhard Luther: Helden an geweihtem Ort. Biographie eines Stimmfaches (Teil 2). Wagnertenöre in Bayreuth (1884 – 1914). Edition Omega Wolfgang Layer, Tübingen 2002. 444 S., ISBN 3-934148-02-6 |