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Denkmal für den jung gebliebenen Siegfried Wagner-Interpreten

Alles Capriolen: Ein Jahrhundert im Musiktheater

 

»Natürlich« ist in dieser Autobiographie Siegfried Köhlers das häufigst gebrauchte Adjektiv, natürlich als Füllwort – aber symptomatisch für das unverstellte Wesen dieses Vollblutdirigenten. Am 30. Juli 1923 in Freiburg im Breisgau als Sohn eines Hornisten geboren, mit dem Siegfried-Hornruf willkommen und mit Bezug auf Wagner benannt, wurde Köhler in einem dem Naziregime ablehnend gegenüberstehenden Elternhaus schon früh auf vielfältige Weise an die Musik herangeführt, zunächst im Spannungsfeld von E- und U-Musik, wie es auch der Untertitel des Buches benennt. Siegfried Köhler komponierte später auch einige Operetten, die mit Erfolg gespielt wurden. Und neben den Großmeistern des Musiktheaters, die Köhler heute noch interpretiert, gehören auch Meister der leichten Muse, wie etwa Oscar Straus, für den sich der Dirigent, insbesondere im Rundfunk, nachdrücklich eingesetzt hat. – Bei der Abfassung der kurzweilig zu lesenden Memoiren wurde Köhler von der Schriftstellerin und Dramatikerin Jutta Schubert als Koautorin unterstützt.
 
Stets darauf bedacht, den Bogen zur Zeit- und Kulturgeschichte zu schlagen, sind dem Autorengespann allerdings auch einige Irrtümer unterlaufen, wie etwa das erneute Repetieren der verbreiteten Behauptung, Schreker habe seine Oper »Christophorus« vor der Freiburger Uraufführung zurückgezogen (S. 28), während im Programmheft der postumen Uraufführung deutlich belegt ist, dass NS-Kräfte der Stadt die Produktion verhindert hatten. Neben Hörfehlern (Heinz Tietgen statt Tietjen, S. 85, Homolka statt Honolka, S. 283, Maddalena statt Magdalena in den »Meistersingern«, S. 304, Karin statt Kari Lövaas, S. 395 und Elschlepp statt Isolde Elchlepp, S. 403) sind offenbar auch Fehler durchs Scannen des Typoskripts entstanden: so liest man von einem Komponisten DvYák (S. 297, 433), während Dvorak gemeint ist, und jener Regisseur, der auch die Wiener Erstaufführung des Banadietrich inszeniert hat, heißt hier Wyrnetal (S. 49) statt Erich von Wymétal.
 
Einige Errata hätte die Koautorin leicht umgehen können durch einen Blick in einschlägige Lexika und Dokumentationen (etwa die Vor- und Hauptnamensverunstaltung von Hellmuth Matiasek, S. 187) oder durch Nachlesen der besprochenen Oper, etwa in Richard Wagners »Siegfried«, wo kein Schwert, sondern Wotans Speer zerschlagen wird (S. 219). Und auf Seite 318 ist im Zusammenhang mit Otto Wesendonck wohl dessen Villa, nicht Wagners Refugium in Tribschen gemeint.
 
Als Wiesbadener Generalmusikdirektor war Siegfried Köhler Initiator der zweimaligen Siegfried Wagner-Tage in Wiesbaden, mit konzertanten Aufführungen von Sternengebot (1977) und Sonnenflammen (1979). Später hat er für den WDR Sehnsucht, das Konzert für Violine, die Symphonie und einige Ouvertüren Siegfried Wagners eingespielt. »Des großen Richards fast vergessener Sohn« lautet die Überschrift eines eigenen Kapitels (S. 375), nachdem der Dirigent zuvor bereits im Rückblick auf sein zweites Lebensjahr der Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele durch Siegfried gedacht hatte.
 

Winifred Wagner und Siegfried Köhler ins Gespräch vertieft  (Foto: Monika Heckel/Frauendorf; jpg: 15930 Byte)

Winifred Wagner mit Siegfried Köhler

Im Jahre 1977 trat Siegfried Köhler der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft bei (die jedoch nicht erst anlässlich der ersten Wiesbadener Siegfried Wagner-Tage gegründet wurde, wie das Buch irrtümlich vermerkt). Angesichts des Versuches einiger Publikationen jüngeren Datums, Winifred Wagners Ablehnung gegenüber den Werken ihres Mannes zu leugnen (so etwa Brigitte Hamann), ist Siegfried Köhlers Zeugnis von Wichtigkeit, dass Winifred Wagner Köhlers Versuchen, bereits als Generalmusikdirektor in Saarbrücken eine Oper Siegfried Wagners aufzuführen, ablehnend gegenüberstand (S. 275), so dass dieses Projekt unrealisiert blieb.
 
Der Bildteil des Buches bringt als Wiederveröffentlichung aus dem Sonder-Mitteilungsblatt der ISWG e.V. im Jahre 1977 (»Siegfried Wagner Tage 1977 – Pressespiegel«) das auch hier nochmals gezeigte Foto von Monika Heckel (heute: Frauendorf), das Siegfried Köhler im endlichen, konzertanten Einvernehmen mit Winifred Wagner zeigt.
 
Das erinnerungsreiche Buch setzt dem ungebrochenen Aktivismus des jung Gebliebenen zur Feier seines 80. Geburtstages ein erstes Denkmal. Den Glückwünschen zum Ehrentag Siegfried Köhlers schließen sich die ISWG e. V. und der Autor aus vollem Herzen an!


Peter P. Pachl

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