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Uraufführung der »Friedens-Hymne«

Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft e.V., Bayreuth

 

Leuchtender Schwung und spannende Kontraste

Jonathan Seers, GMD am Mainfrankentheater Würzburg, zeigte sich von Siegfried Wagner überzeugt: Mit einer so anspruchs- und gestaltreichen Musik hätte er bei dem Komponisten nie gerechnet. Er dürfte sein Staunen mit dem Würzburger Publikum teilen, das der Ankündigung einer Siegfried- und Richard-Wagner-Gala erfreulich zahlreich gefolgt ist. Anlass für das vom Würzburger Richard-Wagner-Verband, dem weltweit mitgliederstärksten unter diesen Vereinigungen, gemeinsam mit dem Theater veranstaltete Konzert war der 90. Geburtstag von Verena Lafferentz-Wagner. Die jüngste Tochter Siegfried Wagners und letzte lebende Enkelin Richard Wagners ist Ehrenmitglied des Würzburger Verbands und mit dessen rühriger Vorsitzenden Margot Müller eng befreundet. Beim Empfang im Foyer nach dem Konzert wurde sie gebührend gewürdigt, schüttelte mit Geduld und Herzlichkeit zahllose Hände und freute sich, dass endlich einmal wieder Werke ihres Vaters aufgeführt wurden.
 
Dank der Vermittlung des Siegfried-Wagner-Experten Peter P. Pachl und der Siegfried-Wagner-Gesellschaft konnte Würzburg sogar mit einer Uraufführung aufwarten: Zum ersten Mal spielte das Philharmonische Orchester und sang der Chor und Extrachor des Theaters die Friedens-hymne des Wagner-Sohnes. Das Werk war aus Anlass des Kriegsendes 1918 geschrieben. Zu einer Aufführung kam es nach der Niederlage Deutschlands nicht; die knapp zehnminütige Komposition blieb unvollendet und wurde von Konrad Bach mit gutem Gespür für zeittypische Eigenheiten instrumentiert.
 
Der Text vom Komponisten schlägt die nationalstolzen Töne der Zeit an, hält sich aber in seiner Mahnung zu Neubeginn und Frieden, in seiner Trauer über das Leid des Krieges und in dem Appell, angesichts furchtbarer Verluste auf Siegesjubel zu verzichten, weit entfernt von undifferenziert martialischem oder nationalistischem Gepränge. Seers und das Orchester arbeiteten gemeinsam mit dem Chor Kontraste heraus; Anja Eichhorn erfüllte in den Sopransoli den Appell, sich den Opfern des Krieges würdig zu erweisen, mit ernsthaftem Nachdruck.
 
Eichhorn hatte sich zu Beginn an die anspruchsvolle Arie »Nein! Osmund ist nicht schuldig« aus Siegfried Wagners erst 2003 uraufgeführter Oper Rainulf und Adelasia gewagt. Während Jonathan Seers die Würzburger Philharmoniker zu dramatisch lebendigen Wechseln zwischen geheimnisvollen Piani, düsterem Blech und aufpeitschenden Sforzati animierte, klang Eichhorns Ton anfangs heiser-trocken, später forciert. Besser als die – erheblich verkürzte – Szene der Adelasia lag ihrem Sopran der »Liebestod« Isoldes. Mit stetig-fließendem Ton, den sie beim Anstieg in die Höhe nicht erreichte, konnte Eichhorn den sorgsam gestalteten Piano-Schimmer des Endes veredeln.
 
Der zweite Solist des Abends, der Bariton Johan F. Kirsten, ebenfalls Ensemblemitglied des Mainfrankentheaters, stellte sich mit der Schlussansprache des Sachs aus den »Meistersingern« vor: Er artikuliert treffend, doch die Höhe wirkt mühsam erreicht. Reserven für eine souveräne Gestaltung hat Kirsten nicht, doch das Bekenntnis zur »deutschen Kunst« singt er enthusiastisch-glühend. In der Arie des Jaroslaw »Auch wenn ich den Stein dir gebe« aus Siegfried Wagners Heidenkönig fehlt es ihm weniger an Durchsetzungsvermögen als an Legato und kantablem Schmelz.
 
Das Orchester überzeugte hier wie im Zwischenspiel Glaube mit Differenzierungen in den Farben, leuchtendem Schwung und Aufmerksamkeit für die spannungsvolle Harmonik, der sich Siegfried Wagner – durchaus auf der Höhe seiner Zeit – zu bedienen wusste. Auch der von Markus Popp einstudierte Chor zeigte sich in der Szene »Was? Wieder Dürre?« aus dem Heidenkönig den drastischen Stimmungswechseln gewachsen.
 
Das eröffnende »Siegfried-Idyll« war durchaus auch als Huldigung für den Wagner-Sohn zu verstehen, dessen Todestag sich im August 2010 zum 80. Mal gejährt hatte. Wieder einmal lenkte dieses ungewöhnliche Konzert den Blick auf einen Komponisten, von dem man endlich einmal wieder eine gültige szenische Aufführung einer seiner Opern erleben möchte.


Werner Häußner


Quelle: Originalbeitrag für www.SIEGFRIED-WAGNER.org, 2010.
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