Zur Handlung von op. 11 In der Opernhandlung geht es um das Sich-Durchdringen von Leben und Kunst. Eine häufig gestrichene Szene, das einzige Melodram (!) in der ansonsten durchkomponierten Oper, ist der Schlüssel des Ganzen: Siegfried Wagner (1869 - 1930), als Person der Handlung (1915), streitet mit Jacob Grimm (1785 - 1863) über die Verwertung von Märchen; es kommt dabei fast zur Schlägerei zwischen dem Märchensammler und dem Komponisten, bis eine Ethnologin, die sogenannte Märchenfrau, die beiden darauf hinweist, dass ein Kobold mit Namen Hütchen Schuld an allen Verstrickungen trägt. Und so findet schließlich auch der Komponist den Titel für sein Opus, das vordem vielleicht »Frieders und Katherlieschens Abenteuer in der Welt, an 40 Märchen dargestellt« gelautet haben könnte. Hütchen steht für das Unbewusste. Verstandesmäßig richtiges Handeln reicht nicht aus um die Probleme dieser Welt zu klären, das etwa ist verkürzt die Aussage der elften Oper Siegfried Wagners. Der Musikstudent Frieder und die Dienstmagd Katherlieschen lieben sich. Aber Frieder soll nach dem Willen seiner Mutter eine andere Frau ehelichen. Also werden die Liebenden (am Ende des 1. Aktes) zur Trennung gezwungen. Heimkehren dürfen sie nur, wenn sie eine Reihe schier unlösbarer Aufgaben erfüllt haben. Jeder erlebt für sich allein (im 2. Akt) Abenteuer in einer Phantasiewelt, die dem Unbewussten gleichzusetzen ist und die den Gesetzen der Traumlogik folgt. Personen aus der dörflichen, fränkischen Umwelt des Paares tauchen hier – ins Groteske verzerrt – wieder auf. Auf unterster Stufe berühren sich dann (im 3. Akt) Traumwelt und Realität. Frieder und Katherlieschen konnten im zweiten Akt Erkenntnisse aus Märchenerzählungen, die ihnen bekannt sind, verwerten, doch war es ihnen nicht möglich, die Gegenstände aus dem Traumland in den Alltag hinüberzuretten; im Licht des Alltags versagen die scheinbaren Werte ihren Dienst und nur die inneren Erfahrungen bleiben. So wird beispielsweise die Zauberformel »Knüppel aus dem Sack« in der Realität zur Floskel »Prügel aus dem Sack«, und anders als im zweiten Akt bleibt hierauf auch das Schlagwerk Ruthe im Orchester stumm. Erst als in der Nacht des Polterabends die Poltergeister in den Menschen dominieren und für die Dauer eines Mitternachtsspuks somit nochmals die Märchenwelt hereinbricht, ist Frieders »Knüppel aus dem Sack« funktionstüchtig und hörbar, – um dann allerdings, Tod und Teufel nachjagend, als letztes, noch greifbares Märchenrequisit, auf immer zu entschwinden. Die aufeinanderprallenden Ebenen von Kunst und Leben, von Phantasie und Realität, Bewusstem und Unbewusstem, bieten dem Komponisten ideale Entfaltungsmöglichkeiten für einen Kompositionsstil, der an italienischer und französischer Oper sowie an der Symphonik seines Großvaters Franz Liszts orientiert ist und sich zwischen Nachromantik und Impressionismus Eigenständigkeit bewahrt. Dabei darf man nicht von der bewussten Märchenverwirrung in der Handlung auf Verworrenheit in der Dramaturgie schließen: szenischer Aufbau und Proportion in An Allem ist Hütchen Schuld! erweisen sich, gemäß der Analyse von Dieter Heinz, gar als ein architektonisches Kunstwerk. Peter P. Pachl
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