Kulmination aller Märchenopern in op. 11 »In Märchen steht Wahrheit« lautet die Maxime in Siegfried Wagners 17. Oper Walamund. In dieser Oper aus dem Jahre 1928 gibt es zwischen Vater und Sohn einen Schlagabtausch in Sprichworten (1): WALAFRIED: Schöne Kundschaft wieder hier! WALAMUND: »Kundschaft macht Freundschaft. Freundschaft macht Küssen. Küssen macht Kinder.« WALAFRIED: »Der Faulenz und der Lüderli sind zwei Zwillingsbrüderli!« WALAMUND: Ja Vater! »Wenn ich wollte, was ich sollte, könnt' ich alles, was ich wollte!« WALAFRIED: »Wer da fällt, über den läuft die Welt.« WALAMUND: »Fallen ist keine Schande, aber Liegenbleiben!« WALAFRIED: Steckst »voll Lurren und Schnurren!« WALAMUND: »Jung und weise sitzen nicht auf einem Stuhle.« WALAFRIED: »Wer gern kürbäumt, faulbäumt gern!«
Leider wurde die Komposition dieser Oper – nebst einer Reihe weiterer Werke – von Siegfried Wagners Witwe nach dem Tode des Komponisten im Jahre 1930 vernichtet. Siegfried Wagner hat es sich nie leicht gemacht mit der Veroperung von Märchen, er liebte das Verwirrspiel und erweist sich – im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts – als ein Märchen-Deuter. So hat seine vierte Oper Bruder Lustig überhaupt nichts mit dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm gemein und in seiner achtzehnten Oper, Das Flüchlein, das Jeder mitbekam (1929), die er hintersinnig als ein Spiel aus der deutschen Märchenwelt definiert, sorgt er für Märchenverwirrung, da in der Collage der Märchen »Jungfrau Maleen«, »Der Räuberbräutigam«, »Das Wasser des Lebens«, »Die zertanzten Schuhe« und »Die sechs Schwäne« das »Tapfere Schneiderlein« als trügerischer Prahlhans entlarvt wird. Richten wir den Focus auf die Siegfried Wagners im Jahre 1915 beendetes Opus 11 An Allem ist Hütchen Schuld! Auch das – wie stets vom Komponisten selbst stammende – Libretto zu dieser Oper ist ein Märchen-Digest durch die Sammlung der Brüder Grimm und anderer Sammler – und darüber hinaus ein Märchen-Verwirrspiel. Zu den über vierzig Episoden, die Siegfried Wagner aus Grimms Märchen, manchmal aber auch aus Varianten bei Andersen, Bechstein und Vernaleken, collagiert hat, gehören die Märchen »Der Frieder und das Katherlieschen«, »Die drei Männlein im Walde«, »Der Kobold«, »Der arme Junge im Grab«, »Das singende, springende Löweneckerchen«, »Vom klugen Schneiderlein«, »Der Teufel mit den drei goldenen Haaren«, »Der Teufel und seine Großmutter«, »Die sieben Raben«, »Die Boten des Todes«, »Der Gevatter Tod«, »Der Jude im Dorn«, »Der Herr Gevatter«, »Tischlein deck dich, Goldesel, Knüppel aus dem Sack«, »Das Bürle«, »Die drei Federn«, »Allerleirauh«, »Die beiden Künneskinder«, »Der Eisenofen«, »Der Trommler«, »Die wahre Braut«, »Rapunzel«, »Hinzelmann«, »Die drei Wanderer«, »Die zwei Brüder«, »Der kleine und der große Klaus«, »Hütchen«, »Die Raben«, »Der beherzte Flötenspieler« und »Sie tanzen nach der Pfeife«. Jüngere Forschungsarbeiten (2) erbracht, dass die Angabe des Komponisten im Wortlaut der Oper durchaus verdoppeln lässt. So kommt etwa hinzu »Die Hexenkirchweih« aus den Schöppner-Sagen, »Der Schatz im Höllenloch« und weitere Motive aus der Sammlung Schwäbischer Sagen von Anton Birlinger, »Die Maränen« aus Ulrich Jahns Volksmärchen aus Pommern und Rügen, »Geist Mützchen«, »Mahr«, »Das Mäuslein« und »Der alte Zauberer und seine Kinder« aus Ludwig Bechsteins Deutschem Sagenbuch, Wilhelm Buschs »Die Zwerghütchen«, Grimms »Die drei Feldscherer«, außerdem Quellen bei Lohrengel, Hildegard von Bingen und Wilhelm Vollmers Vollständigem Wörtenbuch der Mythologie aller Nationen. Peter P. Pachl
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