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Siegfried Wagner Rezeption in Spanien

Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft e.V., Bayreuth

 

Kurzreferat anlässlich des Symposions 2001 in Köln

Siegfried Wagner hat dreimal in seinem Leben Spanien besucht: Zum ersten Mal war er 1892 auf seiner Reise mit Clement Harris in Süd-Spanien, dann, auch während dieser Reise, auf den Philippinen, die zur damaligen Zeit noch spanische Kolonie waren, und zum dritten und letzten Mal kam er 1907 nach Barcelona.

Spanien hatte immer eine besondere Bedeutung für Bayreuth; ich erinnere nur an Richard Wagners »Parsifal«: bei Barcelona befindet sich Monserrat (Monsalvat). Und ich erinnere daran, dass der »Heilige Gral« in Valencia verblieb, nachdem er aus Palestina nach England und dann nach Spanien gebracht worden war, in San Juan de la Peña bzw. – nach dem Bürgerkrieg – im Dom von Valencia.

Die ersten spanischen Wagnerianer, Joaquin Marsillach und Dr. Letamendi, hatten in den letzten dreissig Jahren seines Lebens regen Kontakt mit Richard Wagner und seiner Frau Cosima. Joaquin Marsillach verfasste eine der ersten Biographien Richard Wagners, die in der 70er Jahren in Barcelona unter dem Titel »Richard Wagner – eine Biographie« auf Spanisch und Italienisch herauskam. Dr. Letamendi war der erste nicht-deutsche Autor eines Artikels in den »Bayreuther Blättern«; später erschienen hier noch weitere Aufsätze von ihm. Die Korrespondenz der beiden spanischen Wagnerianer mit Richard und Cosima Wagner ist umfangreich.

1901 erfolgte die Gründung der Richard Wagner Gesellschaft in Barcelona. Auch aus diesem Grund hatte Siegfried Wagner Interesse an Spanien; aus Dank an die Wagner Gesellschaft reiste er nach Barcelona, um Werke seines Vaters und eigene Kompositionen zu dirigieren.

 


Ein kurzer Besuch in Süd-Spanien

Über seinen Aufenthalt 1892 in Spanien während der Reise mit Clement Harris hat der Komponist auch in seinen »Erinnerungen« berichtet. Er war sehr gespannt auf die Alhambra von Granada, über ihre Architektur, ihre Musikalität, die Farbe, das Schweigen und die Harmonie mit der Natur, insbesondere mit dem Wasser. Siegfried Wagner notierte: »In vielen Farben schillernd und doch aus einem Ton! Die Architektur durchbrechend, überschreitets doch keines ihrer Gesetze. Es ist ein Wunder, das mich umgibt, und ich kann eigentlich nicht reden oder schreiben darüber, wie über alles Unantastbare.«

Zuvor erzählt er von Gibraltar, den Affen und den Soldaten, über seine Reise im Boot bis zur spanischen Küste und von seinen ersten Impressionen der Menschen in Süd-Spanien. Einige Wochen später erreichten Siegfried Wagner und Clement Harris die Philippinen; auch hier erzählt er sehr Kurioses über den Charakter der spanischen Bevölkerung.

 


Aufenthalt in Barcelona

Am 24. und 27. Februar 1907 dirigierte Siegfried Wagner zwei Konzerte im Gran Teatro del Liceo in Barcelona. Bei seiner Ankunft wurde er von Mitgliedern der Musischen Gesellschaft von Barcelona sowie der Richard Wagner Gesellschaft empfangen und von ihnen zum Hotel Colon geleitet, wo er untergebracht war. Dort erhielt er Geschenke der bekannten Wagner-Freunde Joaquim Pena, Domènech Espanyol und Xeronni Zanné; sie zeigten ihm auch die spanischen Wagner-Publikationen. Später erwiderte er den Besuch bei der Wagner-Gesellschaft in der Canuda-Strasse.

Im ersten Konzert dirigierte Siegfried Wagner »Tasso« von Franz Liszt, die Ouvertüre zu Bruder Lustig, das Vorspiel zum 3. Akt Der Kobold, den Kirmestanz aus dem vom 3. Akt Herzog Wildfang, sowie Richard Wagners Ouvertüren zu »Tannhäuser« und »Der Fliegende Holländer« sowie das »Siegfried-Idyll« – ein sehr umfangreiches Programm also.

In der Presse wurde vor allem seine Begabung als Orchesterleiter hervorgehoben, wenn auch die Kritiker übereinstimmend seine zu grosse Trockenheit beim Dirigieren bemängelten: »… mässig in seinen Bewegungen, vielleicht ein bisschen zu viel, um das große Publikum zu beeindrucken, aber er führt den Taktstock mit Sicherheit und er pflegt die Einzelheiten des Orchesters mit der Aufmerksamkeit eines echten Meisters.« (Noticiero Universal, 25.2.1907)

Diese Ansicht stimmt mit der von Otto Daube überein, der berichtet, dass es bei Siegfried Wagner keine schwülstigen Gesten gab und dass er mit einer unumschränkten und höchsten Heiterkeit dirigierte (Otto Daube: »Siegfried Wagner. Leben und Werk«). Ähnlich formulierte es auch Bernard Shaw: »… er hat keine despotische Haltung in der Gestik, so als ob er ein Armee-Kommandant wäre, er führt kein herausforderndes Gebärdenspiel vor, wie Mottl … er vertraut einfach und ohne Zweifel auf die Korrektheit seiner Lesart.« (Bernard Shaw, Kritik im Jahre 1894).

Im zweiten Konzert brachte er »Orpheus« von Franz Liszt, die »Faust-Ouverture« von Richard Wagner, seine Ouvertüren zu Herzog Wildfang und Bruder Lustig, das »Siegfried-Idyll« und die Vorspiele zu »Die Meistersinger« und »Tristan und Isolde« von seinem Vater. Die Vorstellung war restlos ausverkauft – was zu jener Zeit durchaus nicht üblich war. Am Ende des Konzertes überreichte ihm die Wagner-Gesellschaft einen Lorbeerkranz mit dem Katalanischen Wappen, einer silbernen Schleife und einer Inschrift zur Ehrung seines Vaters, die auf dem Grab des Meisters in Bayreuth niedergelegt werden sollte.

Dabei stellt sich die Frage: Warum dirigierte Siegfried Wagner ein Konzert im Gran Teatro del Liceo, also in der Oper, und nicht in der Palau de la Musica? Dies hängst damit zusammen, dass unsere Richard-Wagner-Gesellschaft das Liceo angemietet hat, weil das Liceo zu dieser Zeit pro Saison drei bis vier Opern Richard Wagners auf dem Spielplan hatte. Die Richard-Wagner-Gesellschaft war so stark, dass sie 50 Jahre später, im Jahre 1955, ein Gastspiel der Bayreuther Festpiele in Barcelona organisieren konnte. Es war das erste Mal, dass die Bayreuther Festspiele außerhalb Bayreuths spielten. Wieland und Wolfgang Wagner liebten das Wagner-Ambiente in Barcelona, so dass Wieland Wagner auf der Rückfahrt zu einem deutschen Journalisten sagte: »Nur in zwei Städten der Welt kann man Richard Wagner gut und richtig hören, in Bayreuth und in Barcelona.«

 


Die Siegfried Wagner Gesellschaft in Spanien

Ende der Siebziger Jahre, unter dem Aspekt des Richard Wagnerschen Oeuvres, erfuhren wir durch Langspielplatten erste Eindrücke von der Musik Siegfried Wagners. Das Violinkonzert, Glaube, Glück, Sehnucht und das Konzertstück für Flöte waren die ersten Kompositionen, die wir als Richard-Wagnerianer kennen lernten.

Dann hätte ich das Glück, jemand sehr Wichtigen auf dem Weg zur Musik Siegfried Wagners persönlich kennen zu lernen: Peter P. Pachl. Von ihm erhielt ich weitere Kompositionen Siegfried Wagners auf Tonträgern und hatte schließlich die Idee, eine Siegfried Wagner Gesellschaft in Spanien zu gründen. Das war im Jahre 1981; ich war Gründer, Vorsitzender und beinahe das einzige Mitglied im ersten Jahr.

Ich habe eng mit der Richard Wagner Gesellschaft zusammengearbeitet. Und 1982 wurde unsere Zeitschrift »El Tilo Sagrado« (»Die heilige Linde«) geboren. Die zwei ersten Ausgaben folgten schnell nacheinander, doch bis zur dritten vergingen erst einmal viele Jahre. In den Neunzigerjahren wurde es besser, und jetzt erscheint die Zeitschrift mehrmals im Jahr – und zwar in einem neuen, größeren Format, zusammen mit »Wagneriana«, der Zeitschrift der Associació Wagneriana, deren Vorsitzender ich seit zehn Jahren ebenfalls bin und deren einhundertjähriges Bestehen wir in diesem Jahr feiern. In »El Tilo Sagrado« berichten wir exklusiv über Siegfried Wagner und seine Werke sowie über Winifred Wagner. Siegfried Wagners »Erinnerungen«, die bald als Buch herausgegeben werden sollen, wurden in spanischer Übersetzung  in unserer Zeitschrift abgedruckt; außerdem veröffentlichten wir hier Briefe, Mitteilungen und Aufsätze.

Neben der Organisation von Konzerten und Vorträgen war und ist ein weiterer Aspekt unserer Arbeit die Übersetzung von Siegfried Wagners Opern ins Spanische. In den nächsten Jahren werden wir verschiedene Libretti in spanischer Sprache herausgeben; sie ergänzen eine Schriftenreihe der Richard Wagner Gesellschaft, wie »Mona Lisa« von Max von Schillings, Franz Liszts »Legende der heiligen Elisabeth«, »Fervaal« von DIndy, Hans Pfitzners »Christelflein«, »Notre Dame« von Franz Schmidt und »Die Heirat wider Willen« von Engelbert Humperdinck.

Die Siegfried Wagner Gesellschaft von Spanien – neben der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft e.V. die weltweit einzige Gesellschaft für Siegfried Wagner – hat viel für Siegfried Wagner in Spanien bewirkt. Wir haben Artikel über Siegfried Wagner in sehr bekannten Zeitschriften veröffentlicht, z.B. in »Monsalvat«, »Amadeus« und in »Wagneriana«. Jedes Jahr gibt es einen Vortrag über eine Oper Siegfried Wagners in spanischer Übersetzung, was stets auf viel Interesse stößt. 2002 veranstalteten wir einen grossen Vortrag über Siegfried Wagner in Toulouse, in den Räumen der Richard Wagner Gesellschaft dieser Stadt. Und wir stehen auch in Kontakt mit dem New Yorker Richard Wagner Verband, wo ich bereits im April 2001 anlässlich unseres hundertjährigen Jubiläums referiert habe, auch dort einen Vortrag über Siegfried Wagner zu halten.

Seit 1907 haben wir in Spanien kein Konzert mit Kompositionen von Siegfried Wagner mehr gehört. Erst im Jahre 2001, 94 Jahre später, erklang im Rahmen des Centenarjubiläums der Richard Wagner Gesellschaft wieder Musik von ihm: am 5. Januar gab es in der Palau de la Musica in Barcelona, dem berühmtesten Musikpalast dieser Stadt, ein Konzert mit Jose Ferrero und Elena Obratszova, deren Programm neben französischen Liedern von Richard Wagner und den Wesendock-Liedern auch das Vogellied aus dem Kobold und einen Ausschnitt aus Schwarzschwanenreich enthielt. Der Erfolg war gewaltig! Wir stehen jetzt in Kontakt mit H. Forster, dem Musikdirektor des Palau de la Musica, Siegfried Wagner auch im offiziellen Programm anzubieten, und wir hoffen, eines Tages unseren Traum verwirklichen zu können, eine Oper Siegfried Wagners im Gran teatro del Liceo zu spielen. Bereits in den Siebzigerjahren gab es dieses Bestreben, aber aus dem Plan, dort Schwarzschwanenreich aufzuführen, wurde nichts durch den plötzlichen Tod von Herrn Pamies, dem damaligen Direktor des Liceo.


Javier Nicolás


Quelle: Mitteilungsblätter der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft e.V., Bayreuth, XXXII, April 2003 (mit freundlicher Genehmigung des Autors; leicht gekürzt)

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