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Ihr Weg hierher: / Friedelind Wagner zum 100. Geburtstag

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Persönliche Erinnerungen …

Wie nähert man sich als Verehrerin Richard Wagners einem Mitglied der Wagner-Familie am besten und überhaupt? Im Glücksfall über die Erinnerung an Begegnungen, die stattfanden. Ich bin Friedelind Wagner im Sommer 1982 in Bayreuth begegnet und habe sie nicht ohne Ehrfurcht angesprochen. War sie doch die Enkelin Richard Wagners, die Urenkelin Franz Liszts und die Tochter von Siegfried Wagner, was ja eigentlich an sich kein Verdienst ist – aber als Nachfahre muss man mit diesem Namen und dem damit verbundenen Erbe wohl umgehen können.
 

Friedelind Wagner (1918 - 1991)

Friedelind Wagner (1918 - 1991)

Ich lernte sie vor allem als Tochter von Siegfried Wagner kennen, um dessen Werk sie sich als Präsidentin der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft (ISWG) sorgte, das sie gewürdigt und verbreitet wissen wollte, sei es auch in Südamerika, in diesem Fall in Kolumbien, wo ich damals in Bogota lebte. Doch lernte ich sie nicht – so wie sie in Büchern und Gedenkartikeln mit Blick vor allem auf ihre jungen Jahre beschrieben wird – als »energische, witzige und temperamentvolle Persönlichkeit mit spitzer Zunge und scharfen Ansichten« (FAZ vom 110.5.1991) kennen, sondern als freundliche, sehr liebenswürdige, ältere Dame, wie sie da auf dem grünen Hügel vor dem Festspielhaus stand und mit Besuchern und der weither gereisten Interessierten plauderte, hilfsbereit, u. a. für mich noch einen Platz in der Wagner-Loge organisierend.
 
Diese Begegnung hatte zur Folge, dass ich mit fünf kolumbianischen Kollegen und Freunden – der Begeisterung Fähigen – in die ISGW eintrat. Mein Mitgliedsausweis ist am 23.07.1982 ausgestellt worden. Als neue Mitglieder versuchten wir in der Folgezeit, Siegfried Wagner und Werke von ihm in Bogota vorzustellen, d. h. uns zunächst mit den uns zugänglichen Werken des Komponisten bekannt zu machen. Friedelind Wagner hatte mir zu diesem Zweck einige Kassetten mit Aufnahmen der Oper Der Kobold,  einer konzertanten Aufführung in London, sowie die Aufzeichnung des Gedenkkonzertes für Siegfried Wagner vom 16. Mai 1980 im Bayreuther Festspielhaus mitgegeben. Auch standen uns einige Schallplatten mit Auszügen aus seinen Werken zur Verfügung. Für das Magazin der in Bogotaner  Zeitung »El Espectador« schrieb ich einen Artikel »Zur Rettung des Werkes von Siegfried Wagner«, der im November 1982 erschien. Eine geplante Rundfunksendung zu diesem Thema kam leider nicht zustande, sie scheiterte an technischen Problemen. Im September 1984 traten wir sechs kolumbianischen Mitglieder  wieder aus der ISWG aus, nachdem Friedelind Wagner den Vorsitz der Gesellschaft niedergelegt hatte. Brieflicher Kontakt mit ihr bestand jedoch weiterhin, jetzt aber getragen vom Interesse an ihrer Person, vor allem als Autorin des Buches  Nacht über Bayreuth, wusste ich doch, dass sie als einziges Mitglied der Familie Wagner 1939 aus Hitlerdeutschland emigriert war. Ihr Buch erschien mit dem Titel »Heritage of Fire« erstmals 1944 in New York und wurde dann 1945 in der Schweiz auf Deutsch mit dem Untertitel »Die Geschichte der Enkelin Richard Wagners« herausgegeben. Gewidmet hat sie es ihren »beiden Vätern Siegfried Wagner und Arturo Toscanini«. Letzterer hatte ihr geholfen, über die Schweiz, England und Argentinien in die USA zu emigrieren, und sich ihrer stets liebevoll angenommen. Wie ihr darüber hinaus wohl auch der Name Wagner oft geholfen hat, schwierige Situationen in den Ländern des Exils zu meistern, leichter eine Beschäftigung zu finden und vor allem Zugang zu Oper und Theater zu bekommen und so bedeutenden Künstlern zu begegnen.
 

 

Die Autorin Friedelind Wagner schildert in ihrem Buch ihre Kindheit und Jugend in Haus Wahnfried, wo Hitler, von allen Familienmitgliedern »Onkel Wolf« genannt, als enger Vertrauter ihrer Mutter Winifred ein- und ausging. Für die Kinder Wieland, Friedelind, Wolfgang und Verena war er ein väterlicher Freund, der sie auch zu Besuchen in die Reichskanzlei einlud. Mir beim Lesen unheimlich: diese familiäre Verbundenheit mit Hitler, aus der sich Friedelind Wagner schließlich als Heranwachsende und immer wieder gegen die Mutter rebellierende befreit hat. Doch bedeutete dieser bewundernswerte Schritt auch den Verzicht auf alle positiven Möglichkeiten, die ihr Bayreuth schon in frühester Jugend geboten hatte, wie das  Miterleben der Proben und Aufführungen der Festspiele als 18-jährige Assistentin von Heinz Tietjen, dem damaligen künstlerischen Leiter. Sie lernt Handwerkliches: Partiturlesen, Dirigieren, Organisieren und begegnet vielen namhaften Wagnerinterpreten. So wächst sie ganz natürlich in diese besondere Welt der Festspiele hinein, und es entsteht bei ihr der Wunsch, später Regisseurin zu werden.  Auf diese frühen Festspiel-Erfahrungen konnte sie nach ihrer Rückkehr aus dem Exil im Jahr 1953 zurückgreifen, auch wenn ein Auftrag zur Inszenierung des »Lohengrin« am Bielefelder Stadttheater 1968  die  Ausnahme geblieben ist. Nachhaltiger war die Wirkung ihrer – nach dem Vorbild der amerikanischen »opera workshops« entwickelten –  Festspielmeisterklassen, die nach einer Vereinbarung mit ihren Brüdern Wieland und Wolfgang 1959 erfolgreich starteten und bis 1967 veranstaltet wurden. Nach weiteren Jahren vielfältiger Aktivitäten wurde sie auf Anfrage von Peter  P. Pachl, einem jungen Bewunderer  ihres Vaters, Präsidentin der sich 1972 formierenden Siegfried Wagner Gesellschaft, als die ich sie 1983 persönlich kennengelernt habe.
 
Und so schließt sich für mich der Kreis um Friedelind  Wagner, deren 100. Geburtstag in diesem Jahr Anlass sein kann, sich mit dieser facettenreichen und eigenwilligen Persönlichkeit näher zu befassen Zwei neuere, auf gründlicher Recherche beruhende Biografien, die eine von Eva Rieger Friedelind Wagner: Die rebellische Enkelin Richard Wagners (2012), die andere von Eva Weissweiler Erbin des Feuers: Friedelind Wagner - Eine Spurensuche (2013), bieten dafür allen Interessierten viel Material. Darüber hinaus wird es in Bayreuth aus Anlass ihres Geburtstages eine Ausstellung geben.
 

Christine Pezold
 


Quelle: Originalbeitrag der Autorin für www.SIEGFRIED-WAGNER.org 

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