Zur konzertanten Aufführung von Sonnenflammen Siegfried Wagners achtzehn Opernwerke lassen sich inhaltlich in die Gruppierungen Märchen, Sagen und historische Stoffe einordnen.
Die Handlung von Opus 8, Sonnenflammen, führt »zu Beginn des 13. Jahrhunderts« an den Hof von Byzanz. Die Handlung erscheint in manchen Punkten als das Ideenspiel einer negativen Fortsetzung von Sternengebot. Wie Helferich, die männliche Hauptfigur in Opus 5, so war auch der fränkische Ritter Fridolin aufgebrochen in einen Kreuzzug, um eine Schuld zu sühnen. Aber auf halbem Wege ins heilige Land ist er am byzantinischen Kaiserhof hängen geblieben, verliebt in Iris, die Tochter des Hofnarren Gomella. Bei einem Putsch freut er sich zu früh des vermeintlichen Todes des Kaisers, seines Nebenbuhlers, und soll hingerichtet werden. Aber er wird zur Existenz als Hofnarr begnadigt, kahlgeschoren und von dem ihm nachgereisten Vater verflucht. Während Byzanz in Flammen untergeht, deutet Fridolin sterbend auf Iris Augen: »D i e Sonne – ihre Flammen – sie haben mich versengt.«
Die Weltuntergangsstimmung des Werkes entspricht der Zeit der Entstehung: im Mai 1910 hatte der Halleysche Komet Europa in Unruhe versetzt und Wahrsager hatten den Weltuntergang vorausgesagt.
Das Vorspiel umreißt den Lebensweg Fridolins, in dem – nicht nur aufgrund der lautlichen Nähe zum Spitznamen des Komponisten, Fidi – Autobiographisches Verarbeitung findet. Bis in Szenenangaben hinein stößt man hier auf Parallelen zu Stefan Georges Gedicht »Winterwende«, mit dem der Dichter in Byzanz ein Lichtwunder aufstrahlen lässt. Dieses Lichtwunder steht bei George für den Tod des Komponisten Clement Harris, der als Freiwilliger im Kampf um die Befreiung Griechenlands gefallen ist. Clement Harris, ein Schüler Clara Schumanns, war der intime Freund Siegfried Wagners, der den Bayreuth-Erben auf einer Ostasienreise im Jahre 1892 bewog, selbst Komponist zu werden.
Die im Frühjahr 1912 vollendete Oper erlebte ihre Uraufführung am 30. Oktober 1918 im Großherzoglichen Hoftheater Darmstadt. Weitere Sonnenflammen-Inszenierungen folgten in Schwerin, Dresden (mit Richard Tauber als Fridolin), Nürnberg, Coburg und Düsseldorf. Erstmals seit der konzertanten Wiederaufführung bei den Maifestspielen in Wiesbaden des Jahres 1979 am Hessischen Staatstheater Wiesbaden erfolgt nunmehr in Halle eine komplette Wiedergabe dieser Oper, ebenfalls in konzertanter Form.
Halle folgt mit der Aufführung einer Oper Siegfried Wagners seiner langjährigen, intensiven Tradition: Am damaligen Stadttheater Halle kamen widerholt in Anwesenheit des Komponisten Opern Siegfried Wagners in exemplarischen szenischen Interpretationen zur Aufführung, und Siegfried Wagner dirigierte hier seit der Spielzeit 1908/09 wiederholt auch in Konzerten eigene Werke und Kompositionen seines Großvaters und Vaters. Am 27. Februar 1900 inszenierte Theo Raven Siegfried Wagners Opernerstling Der Bärenhäuter, der in dieser Spielzeit die meistgespielte Oper überhaupt war. Auf den Tag genau zehn Jahre später, am 27. Februar 1910, inszenierte Theo Raven Siegfried Wagners Opus 2, Herzog Wildfang, die 1901 am Münchner Hof- und Nationaltheater einen Uraufführungsskandal ausgelöst hatte. In Halle war diese Oper so erfolgreich, dass sie vier Jahre später erneut auf dem Spielplan stand. Der Regisseur und Bühnenbildner Heinrich Kreutz schuf 1929 für die 40-Märchen-Collage An Allem ist Hütchen Schuld !, Siegfried Wagners Opus 11, eine derart innovative Inszenierung, dass Siegfried Wagner ihn einlud, bei seiner Neuinszenierung des »Tannhäuser« im Jahre 1930 in Bayreuth mitzuarbeiten. Im Todesjahr des Komponisten, 1930, und nochmals 1932 fanden in Halle erneut Aufführungen von An Allem ist Hütchen Schuld ! statt. Mit dem Dritten Reich wurde es dann – wie an den meisten deutschen Theatern, so auch in Halle – still um den Wagner-Sohn und Liszt-Enkel, eine Tendenz, die aufgrund eines Aufführungsverbots durch die Witwe des Komponisten, Winifred Wagner, bis in die späten Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts andauerte. Erst mit dem Ablauf der Schutzfrist am 1. Januar 2001 wurden Siegfried Wagners Werke frei und kommen nun vermehrt wieder zu Aufführung. Peter P. Pachl
Quelle: Resonanz Heft 5, Opernhaus Halle, Spielzeit 2002/03 (mit freundlicher Genehmigung des Autors)
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