Scherzo ›Und wenn die Welt voll Teufel wär!‹

Von | 01.11.2025

Im Oktober 1922 instrumentierte Siegfried Wagner ein Scherzo, das den Titel trägt: UND WENN DIE WELT VOLL TEUFEL WÄR!, also ein Luther-Wort. Aber wie er den oberflächlichen Betrachter bei BRUDER LUSTIG irreführte, so auch hier. »Nicht an das alte Lutherwort sollen wir erinnert werden, der mit eiserner Faust mit den Teufeln der Hinterlist und Tücke abrechnete«, heißt es in einer von Siegfried Wagner autorisierten, wenn nicht gar von ihm selbst verfassten Werk-Einführung,

in diesem Scherzo haben wir es, wie schon sein Name sagt, mit all den kleinen, bösen Spukgesellen zu tun, die in der Dämmerung herumkribbeln und krabbeln und zwar nicht als einzelne, aber in ihrer Gesamtheit lästig werden. All die kleinen Alltagsnöte und Sorgen umschwirren den Menschen, der seinen Weg geradeaus geht. Zur linken und rechten schnakkert’s und gackert’s, höhnisch, listig, hier verstohlen, dort mit kecker Offenheit. Der unbekümmerte Mensch aber geht heilen Mutes seinen Weg, und wenn es ihm zu bunt wird, dann schlägt er schließlich einmal mit der Faust dazwischen, und vor seinem festen Willen müssen die kläglichen Stimmen allmählich verstummen. 

[…]

Dieses Scherzo in D-Dur teilt die Störfaktoren den Holzbläsern zu, die Streicher stehen für die Psyche des geplagten Menschen und die Blechbläser für seinen Willen. Natürlich dringen die Kobolde auch in die Psyche ein und führen dort ihr Eigenleben, lassen sich andererseits aber auch vom Willen des Menschen beeinflussen und schwingen dann in dessen Linie mit. Der Mittelteil des Scherzos, in F-Dur, schildert den Menschen als eine in sich ausgewogene Persönlichkeit, um die herum es aber dann doch zum Streit der Geister kommt, die sich in einem Fugato bekriegen. In der Durchführung werden beide Gedanken zusammen ausgeführt, und das Verstummen der Kobolde erfolgt letztlich nicht durch ein Besiegen, sondern durch eine Integration, was wohl soviel bedeutet, wie »mit sich selbst im reinen sein«. […]

Sieht man von der offiziellen dichterischen Aussage […] ab, so entfernte sich Siegfried Wagner mit der Komposition eines Scherzos, als einer kleinen symphonischen Form für den Konzertsaal, langsam von dem dogmatischen Anspruch der in den Kreisen orthodoxer Wagnerianer hochgehaltenen Neudeutschen Schule hin zu den einstmals – während der Frankfurter Studienzeit – so heftig verpönten Komponisten Schumann und Brahms.

Der Schlusseintrag in der Partitur, »Bayreuth ausgerechnet am 9. November (!) beendet«, gibt dem Werk allerdings zusätzlich einen politischen Hintergrund. Auf den Tag genau war vier Jahre zuvor die Deutsche Republik proklamiert worden, war Prinz Max von Baden zurückgetreten und hatte den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zu seinem Nachfolger erklärt.

Peter P. Pachl: Siegfried Wagner. Genie im Schatten, München 1988, 21994