Der Friedensengel – 2. Akt, 1. und 2. Szene

Orgelkonzert mit Gesang am 12. August 2025 in der Bayreuther Stadtkirche
Szene der Mita, bearb. von Ulrich Leykam – Uraufführung
Rebecca Broberg (Sopran), Ulrich Leykam (Orgel)

 


 

2. Akt 

1. Szene

Im Kreuzgang eines romanischen Nonnenklosters. Den vorderen Teil der Bühne nimmt eine Kapelle ein, von der aus man den Blick in den Klosterhof hat. Abendstimmung. – Allmählich zunehmende Nacht. Mita kauert vorn links auf einem Stein vor einem Heiligenbild. Man hört Gesang aus der Kirche.

MITA
Genug des Büßens! der Zerknirschung!
Ich hab’ gebetet, hab’ gefastet!
Inbrünstig fleht’ ich um Vergebung!
Fühl’ mich frei, von Schuld entlastet!
Trug die Qualen, sanftgeduldig!
Warum tat ich’s? Bin ich schuldig?
Hab’ ich wirklich zu bereuen?
Ja sag’ ich und sag’ auch nein!
Zwang ich Willfried zu der Tat?
Gab’s keinen andern Rat?
Durft’ er solch’ Opfer fordern?
Mein Leben! Mein blühendes Leben
Sollt’ ich’s dahin ihm geben?
Schwach war ich, ich hätte wehren müssen!
Nimmer durfte ich ihn küssen!
Wär’ ich kalt geschieden,
Alles Unheil war vermieden!
Dass ich seine Bitten erhörte,
Und dass ich Erunas Frieden störte:
Das war meine Schuld!
Nicht sein Tod!
Wie konnt’ ich solches Ende ahnen?
Solchen Wahnsinn!
Ja! Wahnsinn!
Er konnte ja fliehn! Ich wär’ ihm gefolgt!
Willfried war krank!
Gellte mir nur nicht im Ohr
Sein grauslich wildes Lachen!
Eine Prozession von Nonnen zieht singend vorbei.
O dieses Klagen! Ich ersticke!
Grausiges Schauern! Düstrer Kerker!
Leben-Ertöten! Glück-Ersticken!
Ewiges Jammern! Dämpfen und Erdrücken!
O wär’ dies Singen endlich stumm!
Quälend frommes Betgesumm!
lst das Leben zum Beten da?
Nein! Das Beten ist zum Leben nur!
Für die Stunde uns’rer Qualen und Schmerzen,
Für die Nöten uns’rer Herzen!
Und hat aus tiefster Seele
Buße uns erlöst vom Fehle,
Dann sind wir frei!
Dürfen leben licht und frei!
Gott will, dass wir lachen!
Die Träne hat die Erde befeuchtet!
Nun aber kommt die Sonne!
Labt und leuchtet!
Lockt heraus, was jene genährt,
Und will, dass neues Leben erwache!
Leben! Und was ist Leben ohne Liebe?
Liebe! Holdes Wort!
Darf ich dich nennen?
Sollt’ ich von dir nicht ganz mich trennen?
Darf ein Bild mir wieder nah’n?
Ich frage: Darf? Vergebliches Fragen!
Schon bricht sich’s zum Herzen kühn die Bahn!
Durch Nebelhüllen, vom Licht getragen,
Wie sich’s neu und hell belebt!
Erster Liebe beglückendes Bild!
Reinhold! Sorglos heit’rer Jüngling du!
Lässt du noch immer der Mita nicht Ruh’?
Knabe Übermut!
Der das Versprechen mir in’s Ohr geraunt:
»Mita, aller Mädchen Zier!«
»Ewig bleib’ ich treu Dir!«
»Und wann immer Du kehrst zurück,«
»Freude bringst Du dem Freund und Glück!«
Als hört’ ich sie eben,
So klingt mir’s im Ohr
Lauter und lauter, zu neuem Leben
Bricht’s aus dem Innern mächtig vor!
Allbesiegendes Sehnen!
Reinhold! Zu Dir!
Gebüßt hab‘ ich! Gewissen ist frei!
Leben darf ich! Ich muss! Ich will!
zur Kirche gewendet
Betet nur zu in herber Pein!
Ihr törichten Nonnen!
»Himmelsbräute« nennt ihr Euch!
Doch Mita will »Erdenbraut« sein!
Sie flieht davon. Der Vorhang fällt.

2. Szene

Freie Landschaft, rechts eine Kapelle mit einer von zwei Säulen getragenen Vorhalle. Vorn links Reinholds Haus. Garten davor. Vorn, an die Kaspelle angebaut, eine Laube mit Bank. Viele Blumen. Früher Morgen. Hirten mit Herden ziehen nach dem Tale.

MITA
nicht mehr als Nonne gekleidet, mit einem Tuche über dem Kopf, erscheint im Hintergrund. Sie blickt mit heiterer Verklärung um sich, hört das Zwitschern der Vögel, sieht die Hirten mit ihren Herden und freut sich der aufgehenden Sonne.
Friede! Freiheit!
O beseligtes Atmen!
Aug’! beglücktes!
Ohr! entzücktes!
Was darfst du schau’n!
Was hören!
Neu belebt schwillt die Brust!
Schlürft die wonnige Lust!
Nacht muss weichen mit ihrer Qual
Vor dem ersten wärmenden Sonnenstrahl!
Friede! Du Holder! O! sei gepriesen!
Freiheit! lass’ dich Hehre grüßen!
O himmlisches Wohlgefühl!
Liebliches Lebensspiel!
Der Gottheit Atem! Ja! Ich fühl’ es! Er weht!
Das ist Andacht! Das Gebet!
Steigend mit dem Morgenrot!
Heilbringender Friedensbote!
Und sollt’ ich nie mehr glücklich werden,
Wär’ ich verdammt zur Pein auf Erden:
Was jetzt ich fühle,
Raubt mir keines Kerkers Kühle!
Armseliger Mensch mit deinem Leiden,
Glücklicher bist zu neiden!
Darfst Dich zu solchem Empfinden erheben
Frei von dir selbst, vom Ganzen durchdrungen!
Vom einigen Band der Welt umschlungen!
Kurzer Augenblick!
Und schon kehrst du zurück
Zu dir in dein kleines Reich!
Doch auch da strahlt eine Sonne!
Da ist das Herz und will seine Wonne!
Das Herz, das sich gekrümmt in Qual,
Nach der Liebe Strahl sehnt es sich heiß!
Nach wärmendem Licht und Leben!
Es lebt, will sich heben!
Ei! Du schlimmes Herz, wirst keck!
Nicht zu dreist in die Höhe dich reck’!
Sonst drückt dich das Schicksal schnell hinab!
Und darbst dann wieder im Reue-Grab!
Nein! Nicht dies’ Wort!
Heut’ will das Leben siegen!
Zweifel muss dem Glanz erliegen!
Schlage Herz! Schlage froh!
Herdenglocken läuten! Wie anders tönt ihr Klang!
Nicht gemischt klagendem Sang!
Ja, anders, den Vögeln gleich, die jauchzend singen,
Lassen den Dank sie munter erklingen
An das Leben! An das Licht!
Heil uns!
Heil dir Mensch! Heb’ das Gesicht!
Preise! Danke! Juble und lache!
Schlage Herz! Schlage froh!
Denn Gott selbst will es so!
Ja! Er will es! Will,
Dass wir aus der Trübsal erwachen!
Hilft zum Licht uns Armen, Schwachen!
Freiheit will er spenden!
Freiheit! Friede! Glück!
Heil uns! Heil! Preis Dir güt’ger Gott!
Preis deiner Gnade!
Heil Deiner Huld!