Siegfried Wagner im Klavier-Festspielsommer

Von | 15.11.2025

In der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne war in diesem Sommer Siegfried Wagner nicht nur durch die Ausstellung der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft zur Oper DER FRIE­DENS­ENGEL op. 10 vertreten, sondern auch mit einer eigenen Vitrine im Rahmen der Ausstellung zum 100. Todestag von Engelbert Humperdinck – und darüber hinaus in drei Konzerten.

Bei der Vernissage der Ausstellung im Nordsaal gab es in diesem Jahr erstmals keine Live-Musik­darbietungen, sondern historische Ausschnitte aus Siegfried Wagners Opus 10, mit Sabine Hass, dem Frauenchor der Kantorei Bayreuth und dem Bayerischen Rundfunkorchester unter Heinz Wallberg (Gedenkkonzert im Festspielhaus Bayreuth 1980), Margarete Teschemacher und der Sächsischen Staatskapelle unter Karl Böhm (1939) sowie Martha Mödl mit Pro Opera Chorus and Orchestra unter Leslie Head (Londoner Erstaufführung 1975) und Werner Andreas Albert (Ouvertüre mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz 1994).

Das Siegfried Wagnersche Konzert-Triptychon im Kammermusiksaal bei Steingraeber begann am 7. Juli mit einem Kammermusikkonzert am Abend nach der Ausstellungseröffnung der Humperdinck-Wander­ausstellung: Christian Ubber musizierte mit der Violinistin Judith Oppel und der Violoncellistin Ji-Eun Noh Karl Kittels Bearbeitung des Vorspiels zum zweiten Akt STERNENGEBOT op. 5, das beliebte HERZENSGEBOT-Trio. Im Gegensatz zu der Aufführung im August 2019 im Markgräflichen Opernhaus war hier der Violin-Part neu besetzt, virtuos und sehr einfühlsam ausgeführt. Christian Ubber zeigte sich als versierter Pianist mit der frühen FUGA von Siegfried Wagner, in der er alle Themen in Dux und Comes sehr plastisch herauszuarbeiten verstand.

Veranstaltet von der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft, stand am nächsten Abend, künstlerisch ausgeführt vom pianopianissimo-musiktheater München, ein Gedenkkonzert zum 150. Geburtstag von Clement Harris auf dem Programm. Initiiert hatte dies der rührige Harris-Biograph und -Romancier Claus J. Frankl, der Tagebuch-Ausschnitte des engsten Jugendfreundes von Siegfried Wagner rezitierte. Mit Draufgängertum spielte Rainer Maria Klaas Harris‘ juvenile »Ballade« – mit einer ganz anderen Gewichtung als der Hörer sie von den vielfachen, internationalen Interpretationen durch Ulrich Urban beziehungsweise von dessen CD her kennt – als ein die Grenzen der Programmmusik auslotenden Interpretation zwischen verborgenem Programm und absoluter Musik. Die »Vier Jahreszeiten« zeigten in der Interpretation von Rainer Maria Klaas ebensolchen Tiefgang, über die deskriptive Ebene der Jahreszeiten hinaus, und mit jener Virtuosität, welche diese Etüden dem Pianisten (in der Nachfolge von Clement Harris, der selbst ein berühmter Pianist war) abverlangen. Nach einer Klaviertranskription der Liebesscene aus »Tristan und Isolde« von Richard Wagners »zärtlich geliebtem« Freund Carl Tausig, brachten Clement Harris’ »Songs to the Sea« eine weitere Steigerung. Dargeboten vom jungen Bariton Uli Bützer, der diese mit großer Einfühlung und Textverständlichkeit ausdeutete, und konterkariert durch die beiden frühen Meer-Lieder von Siegfried Wagner, ABEND AM MEERE und ABEND AUF DEM MEERE. Nach Harris’ »Transcription de Concert pour Piano ›In Lust und Schmerzen‹«, dem Opus 4 als »Lied ohne Worte« von Peter Cornelius (ein ebenfalls »zärtlich geliebter« Freund Richard Wagners) setzte die Zugabe von Clement Harris’ Lied »Forget me not« einen weiteren Höhepunkt – von Claus Frankl zugleich gewählt als Aufforderung, diesen für Siegfried Wagner, aber auch für die Fortführung der Bayreuther Festspiele durch Richard Wagners Sohn so wichtigen britischen Komponisten nicht zu vergessen.

Das letzte Konzert der Reihe des Festspielsommers bei Steingraeber war am 29. August erneut Engelbert Humperdinck und Siegfried Wagner gewidmet. Die Poster der Klaviermanufaktur, auf den Litfaßsäulen in Bayreuth häufig neben den Plakaten der FRIEDENSENGEL-Produktion angebracht, führten in der Juli-Version des Steingraeber-Plakates explizit den Namen Siegfried Wagner an, während auf der August-Version nur noch »Ein Wagnerabend zu vier Händen im Hause Humperdinck« annonciert wurde. Neben Humperdincks Transkriptionen von Szenen aus »Parsifal« für Klavier zu vier Händen an einem Flügel standen weitere vierhändige Klaviertranskriptionen auf dem Programm, auch eine – wohl mehr als Begleitung des Heldenbaritons verfasste – vierhändige Version von Wotans Abschied und Feuerzauber aus der »Walküre«. Als öffentliche Uraufführung war die vierhändige Version des Vorspiels zur Oper SONNENFLAMMEN op. 8 von Siegfried Wagner zu erleben: Karl Kittels Version überlässt dem Diskant, also dem rechts sitzenden der beiden Pianisten die Byzanz- und Gomella-Ebene, während der auf der Klaviatur unten spielende Pianist primär die Schicksalsebene des seiner Heimat entwurzelten männlichen Protagonisten ausführt. Rainer Maria Klaas spielte im ersten Teil des Konzerts die obere, im zweiten Teil, also auch bei Siegfried Wagner, die untere Stimme. Hinreißend virtuos wurde der obere Part von der griechischen Pianistin Sofi Simeonidis ausgeführt. Als Rausschmeißer wählten die beiden perfekt auf einander abgestimmten Tastenkünstler eine Transkription von Siegfried Wagners Großvater Franz Liszt, eine überaus virtuose, pfiffige Version von Donizettis »Lucia di Lammermoor«, deren Septett der junge Siegfried so gerne und brillant auf italienischen Straßen gepfiffen hat.

Viel Beifall fanden alle Künstlerinnen und Künstler dieser drei Konzerte, mit denen erneut eine Lanze gebrochen wurde für den anderen Bayreuther Genius Loci, Siegfried Wagner.

PPP