Man sollte sich vom Titel nicht irritieren lassen! Das Geschehen der Oper ist im 10. Jahrhundert angesiedelt. In einer Kleinstadt treibt die Magierin Urme ihr Unwesen. Durch Lug und Trug suggeriert sie jungen Mädchen Partnerschaften, die sich in der Realität als Irrtum erweisen. Durch sein beherztes Handeln kann Heinrich von Kempten, der den Beinamen BRUDER LUSTIG trägt, Schlimmes verhindern. Magie, Bestechung und Ehebruch, aber auch couragiertes Handeln, Liebe und Versöhnung sind handlungsbestimmende Elemente. Alles in allem nicht ganz leicht zu überschauen, aber dennoch bühnenwirksam!
Davon müssen auch die Hagener Theaterleute ausgegangen sein, als sie im April 2000 das Stück, das seit 1944 nicht mehr auf der Bühne zu erleben war, inszenierten. Die Hagener, in Sachen Opernausgrabungen erprobt, feierten mit BRUDER LUSTIG einen beachtlichen Erfolg. Marco Polo/Naxos ist es nun zu danken, dass ein Mitschnitt der Aufführung auf 3 CDs vorliegt. Die Qualität überzeugt in jeder Hinsicht! Siegfried Wagner findet in seinem Opus 4 eine eigene nachromantische Musiksprache. Das klingt mitunter betörend schön, wenngleich man auf dramatische Zuspitzungen verzichten muss. Gewollt oder ungewollt – Zitate von Vater Richard bleiben dem Hörer nicht verborgen.
Im 3. Akt des beinahe dreistündigen Werkes habe ich das Gefühl, den 1. Akt des »Lohengrin« zu erleben. Aber das Theater Hagen setzt sich mit Vehemenz für das Stück ein und die vokale Präsenz der Solisten macht manche »Flachstelle« vergessen. Dagmar Hesse als Walburg ist mit einem leuchtenden Sopran ausgestattet, der in allen Registern gut sitzt und klingt. Die Altistin Schirin Partowi als Urme weiß ebenfalls zu begeistern. Die Titelpartie ist mit Volker Thies besetzt. Er singt kultiviert und textverständlich, jedoch fehlt ihm hier und da heldentenorale Strahlkraft. Allen anderen Solisten sei pauschal für den Hörgenuss gedankt. Und für den sorgt nicht zuletzt auch das gut disponierte und engagiert spielende Orchester unter Leitung seines GMD Georg Fritzsch.
Christoph Suhre