»Ich lege eine Partitur nach der anderen ins Schubfach. Wenn ich einmal tot bin, wird man sie hervorholen!« Sollte Siegfried Wagner Recht behalten? Die Präsenz seiner Werke auf dem Phonosektor hat gerade in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Und auch das Jahr 2003 verspricht schon jetzt einige interessante Entdeckungen in Bezug auf sein Werk. Am 28. Januar wird in der Georg-Friedrich-Händel-Halle in Halle/Saale die Oper SONNENFLAMMEN (op. 8) konzertant zur Aufführung gebracht. Zuletzt erklang das Werk am 15. Mai 1979 im Hessischen Staatstheater Wiesbaden. In der ebenfalls konzertanten Aufführung wirkten u. a. Liane Synek, Martha Mödl und Eike Wilm Schulte mit. Die Leitung lag in den Händen von GMD Siegfried Köhler. Kritiker sprachen von einem »nicht uninteressanten« Werk. Die meisten von ihnen bescheinigten zudem, dass es Siegfried Wagner nicht an Einfällen mangele. Seine Musik sei spätromantisch-schwärmerisch, beeindrucke durch kräftige dramatische Zuspitzungen, neige jedoch zu harmonischen Vereinfachungstendenzen. Weitaus problematischer sei das Verständnis der Handlung. Diese spielt zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Fridolin, ein Ritter aus Franken, schließt sich einem Kreuzzug ins heilige Land an, um eine Schuld zu sühnen. Sein Weg führt über Byzanz. Dort verliebt er sich in Iris, die Tochter des Hofnarren, auf die es auch der Kaiser (er ist verheiratet!) abgesehen hat. Das muss unweigerlich zu Konflikten führen. Da diese nicht gelöst werden können, sieht Fridolin im Freitod den für ihn einzigen Ausweg.
Die Hallenser Aufführung bietet also beste Voraussetzungen, sich selbst ein Bild von Siegfried Wagner und seinem Werk zu machen, zumal unter der musikalischen Leitung von Roger Epple prominente Solisten zu hören sein werden – u. a. Roman Trekel (Kaiser Alexios), Michaela Schuster (Kaiserin Irene), Richard Brunner (Fridolin), Eva Batori (Iris), Nils Giesecke (Narr Gomella).
Mit großer Erwartung darf man auch der Uraufführung (!) der Oper RAINULF UND ADELASIA (op. 14) am 4. Oktober 2003 in Bad Urach entgegensehen. Die Handlung ist 1194 zur Zeit des letzten Normannenkönigs in Süditalien angesiedelt. Auch in diesem Werk geht es wiederum um Betrug, Schuld und Sühne. Protagonisten der Aufführung werden u. a. Elisabeth Wachutka, Hanna Minutillo, Frank van Aken, Roman Trekel und Franz Hawlata sein. Die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz spielt unter der Leitung von Werner Andreas Albert. Bleibt zu hoffen, dass im Anschluss an die Aufführung ein CD-Mitschnitt den Phonosektor bereichern wird.
Siegfried Wagner-Renaissance? Ich bin optimistisch!
Christoph Suhre