Verenas ›Vogellied‹

Von | 31.10.2025

DER KOBOLD, op. 3, 1. Akt

Verenas ›Lied vom blinden Vogel‹

 

Ich hört’ eines Vogels holden Sang,
so schön er nie erklang,
es war, als sollt’ die Brust ihm springen,
so selig war sein Lied;
von Liebesleid und Liebesfreud’ 
tönt voll es in die Welt.
O Vöglein, sag’, was singst Du heut,
was mich so tief beseelt?

›Sei froh, dass Du kein Vöglein bist‹, 
so rief es aus dem Laub,
›das so sein frohes Singen büßt,
weil Eure Herzen taub!
Dass Dir mein Leid zu Herzen geh’,
das hat gar traur’gen Sinn!
Komm her und lug zur Höh’!
Im Kerker sitz ich hier!‹

O weh, da fasste mich’s mit Grau’n!
Einen Blinden musst’ ich erschau’n!
Jubel nicht, nur Sehnsuchtsklang
Aus dem Brüstchen drang!
Geschwister sein heran zu locken,
bös’ Jägern leichte Beute,
muss es gefangen dort hocken,
Sehenslichts beraubt!

Ich hört’ eines Vogels holden Sang,
so schön er nie erklang,
es war, als sollt’ die Brust ihm springen,
so selig war sein Lied;
von Liebesleid und Liebesfreud’
tönt voll es in die Welt.
O Vöglein, was Du mir singst,
mich tief beseelt.