Winifred Wagner (1897-1980)

Von | 24.11.2025

Siegfried Wagner (geboren 1867 [sic! recte: 1869]) macht der 18-jährigen Winifred Klindworth mit den Worten »Ich wünsche, dass Sie wünschen, was ich heimlich wünsche« einen Heiratsantrag. Diese poetische Umschreibung sollte kaschieren, dass nicht er selbst, sondern die Familie das Waisenkind aus Sussex als passende Braut für ihn ausgesucht hatte. Wie kommt dieses Mädchen aus Hastings nach Wahnfried?

Henriette Klindworth, eine entfernte Verwandte der verstorbenen Mutter Winifreds, besucht die kränkelnde Neunjährige in einer Heilanstalt in East Grimsted in der Grafschaft Sussex. Die Klindworths leben seit langen Jahren in Berlin und sind beide glühende Wagnerianer mit deutsch-nationaler Gesinnung. Henriettes Ehemann Karl, Pianist und Meisterschüler von Franz Liszt, steht in Kontakt mit Cosima. 1908 nimmt das Ehepaar Klindworth Winifred bei sich auf.

Im Juli besucht die 17-Jährige auf Einladung Cosimas erstmals Bayreuth und darf sie bei deren Spaziergängen begleiten; eine Auszeichnung, die darauf hindeutet, dass man mit diesem Backfisch Großes plant. Winifred soll die Dynastie sichern. Im September 1915 heiratet sie Siegfried und bringt zwischen 1917 und 1920 vier Kinder zur Welt. Das Erstgeborene ist Wieland, der ersehnte Sohn. Die Ehe mit dem homosexuellen Siegfried ist ein reines Zweckbündnis und Winifred wird sich offiziell erst nach dessen frühem Tod 1930 zu einem neuen Partner bekennen. Eine neue Heirat verbietet die Familie.

Der Mann ihrer Sehnsucht ist seit den zwanziger Jahren Adolf Hitler. Am 1. Oktober 1923 lädt sie den ideologisch wie erotisch Verehrten zum Frühstück nach Wahnfried ein. Hier beginnt eine innige Beziehung. Winifred unterstützt den Landsberger Häftling, lädt ihn ein, während der Festspiele im Haus Wahnfried zu wohnen. Als Hitler Reichskanzler wird, revanchiert sich der Diktator. Er sichert die Finanzierung der Festspiele und nimmt Einfluss auf das Programm. Winifred ist eine machtbewusste und machtverliebte Festspielleiterin. Die NS-Propaganda dagegen verkauft sie als treusorgende Vor­zeige­mutter.

Als Bayreuth bei Kriegsende in Flammen aufgeht, ahnt Winifred, dass ihre engen Beziehungen zum Nazi-Regime ihrer Macht über Bayreuth ein Ende setzen werden. Sie flüchtet in eine Scheinwelt, lädt Nazi-Witwen zum Kaffeekränzchen in den Garten der Bayreuther Villa. 1957 lässt Sohn Wieland quer durch den Garten eine Mauer ziehen, um die Unverbesserliche nicht sehen zu müssen. Die nationalsozialistische Vergangenheit bleibt bis zu ihrem Tod 1980 ihre Heimat. Schuldig fühlt sie sich bis zuletzt nicht.

Quelle: Pressestelle des Bayerischen Rundfunks