›Frühlingsblick‹

Von | 01.11.2025

Gedicht von Nicolaus Lenau [1802-1850]
comp. von Siegfried Wagner 

  

Durch den Wald, den dunkeln,
Geht h
olde Frühlingsmorgenstunde,
Durch den Wald vom Himmel
Weht e
ine leise Liebeskunde.

Selig lauscht der grüne Baum,
U
nd er taucht mit allen Zweigen
In den schönen Frühlingstraum,
I
n den vollen Lebensreigen.

Blüht ein Blümlein irgendwo,
W
irds vom hellen Tau getränket,
Das einsame zittert froh,
D
ass der Himmel sein gedenket.

In geheimer Laubesnacht
W
ird des Vogels Herz getroffen
Von der großen Liebesmacht,
Uu
nd er singt ein süßes Hoffen.

All das frohe Lenzgeschick
Nicht ein Wort des Himmels kündet;
Nur sein stummer, warmer Blick
Hat die Seligkeit entzündet:

Also in den Winterharm,
Der die Seele hielt bezwungen,
Ist ein Blick mir, still und warm,
Frühlingsmächtig eingedrungen.