Leslie Head zum 80. Geburtstag

Von | 25.11.2025

Leslie Head, der Ende August 2002 in guter körperlicher und seelischer Verfassung seinen 80. Geburtstag beging, gehört zu den Gründungsvätern der Siegfried Wagner-Renaissance. Er war der erste, der nach 33 Jahren völligen Verstummens der Opern Siegfried Wagners im Jahre 1975 ein Bühnenwerk des Wagner-Sohns und Liszt-Enkels komplett wieder zur Aufführung brachte. Mit seiner 1972 – im Gründungsjahr der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft – für die Aufführung seltener gespielter Werke und zur Förderung junger Künstler gegründeten Opernformation Pro Opera Chorus And Orchestra brachte er als neunte Produktion den FRIEDENSENGEL zur britischen Erstaufführung. Vorangegangen waren konzertante Aufführungen von Berlioz’ »Les Troyens«, »La Damnation de Faust« und »Beatrice et Benedict«, Richard Wagners »Tannhäuser«, »L’Amor Coniugale« und »La Passione« von Simon Mayr und »Les Martyrs« von Donizetti.

Head trat 1974 an die damals in England lebende und gerade zur Präsidentin der ISWG gekürte Friedelind Wagner heran, mit dem Vorschlag, er wolle eine Oper ihres Vaters zur Aufführung bringen. Friedelind kannte die ablehnende Haltung ihrer Mutter als Inhaberin der Rechte und wusste, dass ohne das im Siegfried Wagner-Haus eingelagerte Aufführungsmaterial keine Aufführung möglich war, der Weg also über Winifred Wagner laufen musste. Aufmüpfig und angriffslustig, wie sie war, empfahl sie Leslie Head die Wiederaufführung der erfolglosesten Oper ihres Vaters und damit auch jenes Bühnenwerks, dem schon zu Lebzeiten ihres Vaters die besondere Abneigung ihrer Mutter gegolten hatte, DER FRIEDENSENGEL. Aber Friedelind wusste auch, dass es gerade in dieser Oper eine Prachtpartie für ihre Freundin, die hochdramatische Sopranistin Hanne Lore Kuhse, gäbe. Und der Star der Staatsoper Ost-Berlin sollte unbedingt mit dabei sein, wenn eine Oper ihres Vaters zur Aufführung gelangte.

Friedelind empfahl Leslie Head, an Winifred zu schreiben, ohne sie zu erwähnen. Winifred antwortete wie erwartet, und wie stets, wenn Anfragen von Theatern oder Dirigenten kamen: »Bitte lassen Sie es sein, Sie tun sich und uns damit keinen Gefallen!« Leslie Head ließ sich nicht abschrecken und schrieb ein zweites Mal. Winifred antwortete wieder und zementierte ihre ablehnende Haltung mit der Behauptung, es gäbe kein Aufführungsmaterial mehr zu dieser Oper. Daraufhin empfahl Friedelind dem Dirigenten einen Trick, den dieser sofort in die Tat umsetzte: Leslie Head schrieb, er benötige das Aufführungsmaterial nicht, denn er habe eine Partitur gefunden und Pro Opera werde das Material selbst herstellen. Friedelind hatte ihre Mutter richtig eingeschätzt: die fürchtete nun ihre Felle davonschwimmen zu sehen und gab nach – Leslie Head bekam das Material aus Bayreuth.

So erlebte die Oper am 23. November 1975 ihre erste komplette Aufführung, denn bei der Uraufführung, 1926 in Karlsruhe, war eine anstößige Szene gestrichen worden, die nun – auch von BBC im Rundfunk übertragen – in der Queen Elizabeth Hall ihre späte Uraufführung erfuhr. Zur Aufführung, die in den Medien große Beachtung fand und die erstmals das lange rezipierte Bild des Märchenopern-Komponisten in Frage stellte, hatte Friedelind zahlreiche Mitglieder ihrer Familie eingeladen, und selbst Winifred Wagner fehlte nicht.

Fünf Jahre später brachte Leslie Head erneut eine Oper Siegfried Wagners in London konzertant zur Aufführung – so, wie er seine Donizetti-Reihe um »L’Esule di Roma« und »Il Furioso all‘ Isola di San Domingo« erweitert hatte. Aber auch »Giasone« von Cavalli, Haydns »La vera Constanza« und die partielle Uraufführung der zeitgenössischen Oper »The Tigers« von Havergal Brian gehörten zu Heads avancierten Opernprojekten.

Zum 50. Todestag brachte Head jene Oper zur Wiederaufführung, die Siegfried Wagner selbst als sein Lieblingswerk bezeichnet hatte, DER KOBOLD. Wieder war Hanne Lore Kuhse, nunmehr als Gräfin, mit von der Partie, als am 12. Oktober 1980 in der Queen Elizabeth Hall »Pro Opera in Association with K.O.C.S. and Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft e.V.« mit großem Erfolg die britische Erstaufführung von Siegfried Wagners Opus 3 bestritt. Der inzwischen auch in Wiesbaden als hervorragender Interpret Siegfried Wagners in Erscheinung getretene Eike Wilm Schulte gestaltete den Graf, Carmen Reppel die Verena, Heikki Toivanen den Ekhart, und – wie schon beim FRIEDENSENGEL und später beim konzertanten SCHWARZSCHWANENREICH 1983 in Solingen – der italo-isreaelische Tenor Raffaele Polani den jugendlichen Liebhaber.

Seit 1975 ist Leslied Head Mitglied der ISWG. Er hatte auch seine Zusage erteilt, als Referent am ersten internationalen wissenschaftlichen Siegfried Wagner-Symposion in Köln mitzuwirken. Aufgrund der Ereignisse des 11. September war jedoch seine Schwester, die ihn begleiten sollte, nicht zum Flug nach Köln zu bewegen. Leslie Head hat daraufhin seinen Beitrag in Schriftform vorgelegt; er wird im Symposions-Band »Siegfried-Wagner-Kompendium I« gedruckt erscheinen.

Auch die jeweils ungekürzten Interpretationen von Leslie Head sind erhalten, und die Masterbänder sind klanglich sehr viel besser als die private Schallplattenpressung des FRIEDENSENGEL und die seinerzeit ebenfalls über die ISWG vertriebene Aufnahme des KOBOLD auf Cassetten; digital remastered werden sie für das Schallarchiv neu editiert und Mitgliedern der ISWG auf Wunsch auf CD zur Verfügung gestellt.

Leslie Head wünschen wir nicht nur anlässlich seines 80. Geburtstages alles Gute!

Peter P. Pachl